Der Evangelische Kirchentag 2025 in Hannover hat viele Menschen bewegt – und wir waren mittendrin: mit unserem Stand, unseren Aktionen, unserem Tierschutz-Kirchen-Ranking. Und mit einer unbequemen Botschaft, die viele nicht mehr übersehen konnten:
»Die Kirche beteiligt sich tagtäglich an der Massentierhaltung – und muss endlich handeln.«
Carsten Halmanseder | Will-Kirche-Tierschutz.de
Zwischen Gläsernem Restaurant und unsichtbarem Tierleid

Denn während beim Kirchentag gefeiert wurde, was möglich ist, bleibt in den Küchen Tausender kirchlicher Einrichtungen verborgen, was alltäglich ist: Massentierhaltung auf dem Teller – millionenfach jeden Tag, mit kirchlicher Billigung.
»Was fehlt, ist ein gläserner Blick in die Realität – in die Küchen kirchlicher Kitas, Krankenhäuser und Seniorenheime.
Was der Kirchentag zeigt, ist eine hoffnungsvolle Zukunftsvision.Was in vielen Einrichtungen passiert, ist ein faktischer Albtraum.«
Nicolas Thun | Will-Kirche-Tierschutz.de
Anmerkung: Mit dem Gläsernen Restaurant setzt der Kirchentag seit vielen Jahren ein deutliches Zeichen für Nachhaltigkeit. Bei den Foodtrucks und dem Catering der Messegesellschaft wurden jedoch vorwiegend Produkte aus Massentierhaltung angeboten und es gab nur ein sehr geringes veganes Angebot.
Schon bevor der Kirchentag offiziell begann, waren wir da!
Um auf den Kontrast zwischen den Bemühungen des Kirchentags und der alltäglichen Praxis in kirchlichen Einrichtungen hinzuweisen, protestierten wir in der Woche vor Beginn des Kirchentags mit unserer Aktionsform »Silent Church« vor der Marktkirche (Predigtkirche des Landesbischofs Ralf Meister) und am Kröpcke – mitten in Hannovers Herz.

Unsere lila umrandeten Kirchen-Silhouetten, in denen gequälte Tiere aus der Massentierhaltung dargestellt sind, machen sichtbar, was sonst im Verborgenen bleibt: dass die Kirche täglich Tierleid mitfinanziert – und damit Verantwortung trägt, dies zu beenden.
Mit ihrer gewaltigen Reichweite könnte die Kirche Tierleid verringern und vermeiden – doch stattdessen ermöglicht sie es. »Silent Church« ist unser stiller, aber deutlicher Ruf nach Veränderung.
Bei den Passant*innen gab es viel Verständnis für unsere Aktionen und Unverständnis dafür, dass die Kirchen beim Thema Tierschutz so still sind. Den meisten war dabei zunächst nicht bewusst, dass die Kirchen täglich Millionen von Essen aus schlimmster Massentierhaltung in ihren Einrichtungen ausgeben. Kopfschütteln – »die Kirche schon wieder« – »Rückstand statt Fortschritt« … bis auf wenige Ausnahmen, ergänzen wir hier.
Unser Protest vor der Marktkirche wurde dort jedenfalls sehr freundlich aufgenommen. Sogar unsere Social-Media-Beiträge wurden geteilt – man wünscht sich wohl auch hier Verbesserungen im Tierschutz. Unsere Auswertung zur Landeskirche Hannovers folgt bald.
Unser Stand auf dem Kirchentag: Sichtbar. Spürbar. Laut. Leise.

Mit einem 2,50 Meter großen Jesus mit violettem Schild: »Massentierhaltung raus aus der Kirche!« brachten wir die Botschaft auf den Punkt: Massentierhaltung ist nicht christlich!
Viel Zustimmung, manchmal ein scheues Wegschauen oder erstarrtes, nachdenkliches Stehenbleiben aus sicherer Distanz.
Über 1.000 Menschen kamen zu uns. Gruppen, Einzelpersonen, Engagierte, Offizielle. Viele blieben lange. Viele gingen verändert. Viele kamen wieder.
Ein Huhn, das jung und alt begeistert, aber auch konfrontiert
Zwölf wechselnde Social-Media-Botschaften von: »Gott sieht alles. Sieht die Kirche weg?« über »Möchtest du Massentierhaltung oder vegan, Jesus?« bis hin zu »Kleiner Jesus, große Botschaft: Mitgefühl ist kinderleicht« und vielen mehr sorgten für regen Andrang, um Fotos zu machen und Lieblingsmotive zu wählen. Eine Auswahl …
Hinweis (siehe auch FAQs): Unsere Kampagne versteht sich weder religiös noch antireligiös. Wir gehören keiner religiösen Gruppierung an. Alle sind willkommen (Code of Conduct). Unsere Argumente beruhen auf Tierethik, Klima- und Umweltschutz, globaler Gerechtigkeit und dem Wunsch nach einem friedlichen, gerechten Zusammenleben. Unsere Kritik richtet sich ganz konkret dagegen, dass die Kirchen über ihre Einrichtungen, Großküchen- und Cateringverträge Massentierhaltung in Milliardenhöhe mitfinanzieren. Religiöse Bezüge greifen wir dort auf, wo Widersprüche zwischen Anspruch und Realität besonders sichtbar sind.
Unsere Aktionen wirken. Unser Ranking bewegt.
Unsere Präsenz bringt etwas ins Rollen.
Hinter den Kulissen sowie teils auch offiziell regen sich die Gemüter in Bezug auf unser Ranking und unsere Forderungen. Wir waren erfreut, dass viele Offizielle aus verschiedenen Landeskirchen und Bistümern an unserem Stand das Gespräch mit uns gesucht haben. Zumeist ging es dabei um den wichtigen Ansatz unseres Rankings und welche internen Diskussionen dies auslöst: »Wie wird unsere Landeskirche/unser Bistum abschneiden?« – »Beeindruckend, dass ihr die Unterschiede im Engagement der Landeskirchen und Bistümer so umfangreich und transparent aufzeigt.«, – »Wir arbeiten bereits an neuen, besseren Richtlinien.« … Nur sehr vereinzelt Unmut: »sie könnten ja nicht anders/schneller …«, »die Gesellschaft wolle es halt so.«

Eine Orientierungshilfe – Screenshot Seite 1 Titel
Ein sehr wichtiges Ausrufezeichen gegen die »Geht-nicht-Fraktion« setzt dabei der Caritas-Verband NRW, nahezu auf dem Niveau unserer Forderung, als Mindeststandards die Haltungsformen 4 und 5 anzustreben. Geht doch!


Selbst Vertreter*innen der Tierwirtschaft sagten zu uns: »Die Kirchen könnten das System mit ihrer riesigen Einkaufsmacht verändern und uns mit konkreten Beschaffungskriterien und zeitlichen Zielen Planungssicherheit für den Umbau geben.«
Auch bei den Besucher*innen des Kirchentags war die Tendenz eindeutig: »Der Kirchentag macht es doch vor, warum tun sich die (meisten) Bischöf*innen so schwer, Stellung gegen Massentierhaltung zu beziehen?« »Was können wir in unserer Gemeinde tun?«
Besonders gefreut hat uns, dass auch mehrere Pastor*innen bei uns am Stand sagten, dass sie bereits vegan leben – für sie ist das ganz selbstverständlich Teil dessen, wofür Kirche steht.
Politische Prominenz: Miriam Staudte kommt – an unseren Stand

Und dann besuchte Miriam Staudte, Niedersachsens Landwirtschaftsministerin von den Grünen, unseren Stand! Wie es dazu kam? Nach einer Gesprächsrunde am Stand des Deutschen Tierschutzbundes nutzte Caro aus unserem Team beherzt den Moment. Sie sprach Ministerin Staudte direkt an, stellte unsere Initiative kurz vor – und lud sie spontan ein, uns zu besuchen.
Inhaltlich hatten wir sie zuvor bereits bei einer Fragerunde auf die »Tierwohl«-Mindeststandards in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung in Niedersachsen angesprochen. Ein für sie offensichtlich sehr wichtiges Thema, bei dem sie Akzente setzen möchte und dies nicht nur von der öffentlichen Hand erwartet, sondern auch von den Kirchen als ganz wichtigen Playern in der Gemeinschaftsverpflegung.
Wir fanden es stark, dass Frau Staudte zu uns gekommen ist und die Problematik offen mit uns diskutiert hat und wir haben uns sehr über den Austausch mit ihr gefreut. Niedersachsen ist das Bundesland mit der höchsten Tierdichte Deutschlands, mit dem größten Geflügelschlachthof Europas. Hier bläst einem der Gegenwind der Agrarwirtschaft ins Gesicht.
Die Menschen auf dem Kirchentag wollen Tierschutz!
»Was können wir selber tun?« – »Habt ihr Flyer für uns?« – »In unserer Gemeinde gibt es immer vegane Alternativen.« – »Wie können wir bei der Recherche helfen?« – »Wie könenn wir mitmachen?«
Besucher*innen auf dem Kirchentag | Will-Kirche-Tierschutz.de
Und es war nicht nur Höflichkeit. Es war echtes Interesse. Fragen wie »Was können wir besser machen?« – »Was ist schnell umsetzbar?« – »Was wäre ein erster Schritt?« kamen immer wieder. Und wir hörten das Wort »Synode« häufiger als wir zählen konnten.
Viele Menschen in der Kirche wollen. Was fehlt, sind oft Mut, Struktur und Raum, wenn es um Tierschutz und das Essen in der Kirche geht. Eine Besucherin sagte sinngemäß:
»Mut ist nicht, keine Angst zu haben. Mut ist, wenn man trotzdem springt.«
Ein Satz, der hängen blieb – bei uns und bei mehreren Kirchenvertreter*innen.
Besucher*innen auf dem Kirchentag | Will-Kirche-Tierschutz.de
Wir sprachen über Senioreneinrichtungen, über TikTok-Kochvideos, über vegane Rezepte für Oma und Opa sowie darüber, wie eine stärkere Verbindung zur jungen Generation auch über Mitgefühl auf dem Teller entstehen kann. Denn wer sagt eigentlich, dass Innovation nur etwas für junge Leute ist? Warum nicht vegane Kochkurse im Seniorenheim? Warum nicht up to date sein – auch mit 80? Gerade wenn es um gesunde Ernährung, um die Umwelt, ja, vielleicht den Erhalt der »Schöpfung« für die Enkel*innen geht …
»Das ist natürlich etwas frech und provokant!« – »Das ist genau richtig!«
Wir haben es oft selbst gesagt: »Unser Stand und unsere Motive sind schon ein bisschen frech und provokant.« Das wollen wir auch sein. In drei Tagen und über 1.000 Gesprächen haben uns nur ganz wenige Personen dafür kritisiert.
Stattdessen Zustimmung und der Aufruf, noch deutlicher zu werden:
»Eine Jesus-Figur, die gegen Massentierhaltung aufbegehrt, bräuchte es vor fast jeder Kirche.«
Besucher*innen auf dem Kirchentag | Will-Kirche-Tierschutz.de
»Können wir mit euren Schildern vor unserer Kirche demonstrieren?«
»Die Tierschutzorgas müssten noch viel provokanter Druck auf die Kirchen ausüben.«
Wer uns positiv überrascht hat
Unsere Online-Community wächst und freut sich umso mehr, unsere mitfühlenden wie provokanten Posts zu verbreiten – Danke!
Und wer hat uns am häufigsten repostet? Die Marktkirche Hannover.
Fünf Reposts. Und das ganz ohne offizielle Absprache. Einfach weil sie das Thema ernst nehmen. Getreu der Losung des Kirchentags. Danke dafür.
Fazit: Mutig, stark und beherzt
Die Losung des Kirchentags lautete: »mutig, stark, beherzt«. Wir glauben: Wer die Zukunft der Kirche denkt, muss auch mutig, stark und beherzt beim Thema Tierschutz sein. Nicht irgendwann. Jetzt.
Denn Tierleid ist kein Randthema. Es ist ein Glaubwürdigkeits-Test für Ethik und Nächstenliebe.
Hilf uns weiterzumachen:
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»Wir engagieren uns für eine Kirche ohne Tierleid.
Nicolas Thun | Will-Kirche-Tierschutz.de
Und wir sind überzeugt, dass sie kommen kann – wenn genug Menschen den Mut finden, den ersten Schritt zu tun.
Nicht, weil sie keine Angst haben.
Sondern, weil sie sich entscheiden, trotzdem zu handeln. Mutig, stark und beherzt!«